Ergebnisse der Sommersitzungen des Wissenschaftsrates
Braunschweig, 9. – 12. Juli 2013
Der Wissenschaftsrat hat nach intensiven Beratungen Perspektiven für das deutsche Wissenschaftssystem aufgezeigt. Diese sind geleitet von der Überzeugung, dass die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems zu einer Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt beiträgt und Investitionen in die Wissenschaft eine hohe volkswirtschaftliche Rendite erzielen. Dies verlangt nicht nur der Politik klare Prioritätensetzungen ab, es verlangt zugleich von den wissenschaftlichen Einrichtungen, dass sie sich stärker profilieren, dass sie sich auch in Zukunft wettbewerblich orientieren, dass sie vielfältig lokal bis transnational zusammenarbeiten, und dass sie ihre Handlungs- und Entscheidungsprozesse zielführend gestalten. Die vom Wissenschaftsrat entwickelten Perspektiven berücksichtigen sowohl die Anforderungen der Wissenschaft als auch die legitimen Erwartungen von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik an ein leistungsstarkes Wissenschaftssystem, welches durch den demographischen Wandel und den zunehmenden internationalen Wettbewerb unter Druck steht.
Erstmals hat der Wissenschaftsrat die Hochschullandschaft eines gesamten Bundeslandes in den Blick genommen. Das Land Sachsen-Anhalt hatte ihn gebeten, eine Gesamtbetrachtung seines Hochschulsystems und Vorschläge für dessen weitere Entwicklung bis zum Jahr 2020 und darüber hinaus vorzulegen. Bei dieser Untersuchung wurden die wissenschaftlichen Voraussetzungen an den einzelnen Hochschulen und die Kooperationsmöglichkeiten im regionalen Umfeld ebenso berücksichtigt wie die demographischen, wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen im Land Sachsen-Anhalt. Die sieben Hochschulen des Landes haben in den vergangenen Jahren ihren landesspezifischen und gesamtstaatlichen Auftrag zur Sicherung eines bedarfsgerechten Hochschulzugangs eindrucksvoll erfüllt. Ungeachtet dieser positiven Entwicklungen bleibt das Hochschulsystem des Landes insgesamt noch hinter seinen wissenschaftlichen Möglichkeiten zurück. Der Wissenschaftsrat hat detaillierte Empfehlungen hierzu ausgesprochen.
Parallel zu diesem Unternehmen hat der Wissenschaftsrat eine eigene Stellungnahme zurUniversitätsmedizin in Halle erarbeitet. Diese steht vor großen strukturellen Herausforderungen, auch wenn in den letzten Jahren wichtige Entwicklungen bereits angestoßen wurden. So konnten zum Beispiel große Fortschritte in der Lehre erzielt werden und auch die Krankenversorgung befindet sich auf einem guten Niveau. Weitere notwendige Veränderungsprozesse stehen aus Sicht des Wissenschaftsrats aber noch aus. Insbesondere ist es dem Standort trotz erheblicher Anstrengungen bisher nicht gelungen, ein klares wissenschaftliches Profil zu entwickeln. Der Wissenschaftsrat hält deshalb deutliche Strukturveränderungen am Standort Halle für unausweichlich.
Die hessische „Landesoffensive zur Entwicklung wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz“ (LOEWE) ist nach Auffassung des Wissenschaftsrates eine wertvolle Unterstützung der wissenschaftlichen Einrichtungen im Land. Sie werden durch dieses Programm in der Bildung leistungsfähiger Schwerpunkte wie auch der Etablierung wissenschaftlicher Kooperationen sinnvoll gestärkt. Der Wissenschaftsrat spricht sich für eine Fortsetzung des Förderprogramms aus, hält aber gleichzeitig eine Neujustierung einzelner Förderlinien für erforderlich.
Mit seiner Stellungnahme zum Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) auf der Insel Riems hat der Wissenschaftsrat die erste Evaluierung eines Forschungsinstituts aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) abgeschlossen. Das BMELV hat den Wissenschaftsrat im Jahr 2012 beauftragt, seine sechs Ressortforschungseinrichtungen und insbesondere die dort erbrachten Forschungsleistungen zu begutachten. Das Friedrich-Loeffler-Institut ist eine herausragende, international sehr renommierte Forschungseinrichtung, die unverzichtbare Leistungen im Bereich der Prävention, Erkennung und Bekämpfung von Tierseuchen erbringt. Weltweit gibt es nur wenige Einrichtungen, die auf ein ähnlich breites Forschungsspektrum verweisen könnten.
Für zwei Institute empfiehlt der Wissenschaftsrat die Aufnahme in die gemeinsame Förderung von Bund und Ländern im Rahmen der Leibniz-Gemeinschaft:
Als ein national und international anerkanntes Forschungsinstitut würdigt der Wissenschaftsrat dasDWI an der RWTH Aachen e.V. – Interactive Materials Research, das innovative und gesellschaftlich hochrelevante Fragen der Materialforschung bearbeitet. Alleinstellung erlangt das Institut vor allem durch die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Natur- und Ingenieurwissenschaften. Es gelingt dem DWI, neuartige interaktive und funktionale Materialien zu entwickeln, die in dieser Form in den Einzeldisziplinen nicht herstellbar wären.
Das Institut für Photonische Technologien e V. (IPHT) in Jena ist eine weithin sichtbare Forschungseinrichtung mit herausragender Methodenkompetenz, die sich deutschlandweit als wichtiger Ansprechpartner in Fragen innovativer, auf optischen Methoden basierender Medizintechnik etabliert hat. Herausragende Forschungsinfrastrukturen kombiniert mit hoher methodischer Expertise machen das IPHT zu einer einzigartigen Einrichtung in Deutschland, von der zukünftig wichtige Innovationen in der Medizintechnik zu erwarten sind.
Als ein wertvolles Instrument der Forschungsförderung in der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) würdigt der Wissenschaftsrat die Fraunhofer-Zukunftsstiftung (München). Die Aufgaben, welche die Fraunhofer-Zukunftsstiftung mit der Förderung verwertungsorientierter Vorlaufforschung innerhalb der FhG übernommen hat, ließen sich aus seiner Sicht im herkömmlichen FhG-Geschäftsmodell nicht realisieren. Daher spricht sich der Wissenschaftsrat dafür aus, die Arbeit der Fraunhofer-Zukunftsstiftung langfristig fortzusetzen und auf diesem Weg die Innovationskraft der Fraunhofer-Gesellschaft nachhaltig zu stärken.
Außerdem wurden auf den Sommersitzungen vier Verfahren der Institutionellen Akkreditierung bzw. Reakkreditierung beraten. Dabei gelangte der Wissenschaftsrat in drei Verfahren zu einer positiven Entscheidung: European School of Management and Technology (ESMT), IB-Hochschule Berlin, CVJM-Hochschule Kassel – International YMCA University of Applied Sciences. Im Fall der Hochschule für angewandte Wissenschaften Bamberg sprach sich der Wissenschaftsrat gegen eine Akkreditierung der seit 2004 bestehenden Hochschule aus.
Hinweis: Die genannten Empfehlungen und Stellungnahmen werden im Netz als Volltext veröffentlicht, sie können aber auch bei der Geschäftsstelle des Wissenschaftsrates per E‑Mail (post(at)wissenschaftsrat.de) angefordert werden.
Quelle: http://www.wissenschaftsrat.de, Köln, PM 16/2013